Übertragung von Kapital
Wie kam Ihr Familienunternehmen zu dem Beschluss, sein Kapital für einen Investor zu öffnen?
Mein Vater und meine Tante – also die vierte Generation, die auf diesem Gut tätig ist – wollten 2007 eine erste Übertragung zugunsten meines Bruders Armin und mir vornehmen, da wir immer mehr Verantwortung in der Gesellschaft übernahmen. Dieser zunehmende Einfluss der fünften Generation äußerte sich auch ein einem ehrgeizigen Modernisierungsplan, der umfassende Investitionen erforderte. Als Weingut mit eigener Kellerei führen wir alle entsprechenden Arbeiten durch – vom Pflanzen des Rebstocks bis zum Abfüllen des Weins in Flaschen. Übertragungen sind jedoch, besonders in unserem Geschäft mit seinem hohen Bestand an Anlagegütern, sehr kostspielig. Es war schwierig, die beiden Projekte parallel zu finanzieren.
Diese Kooperation hat die Investitionen angekurbelt, und wir sind schneller vorangekommen, als wir es uns hätten erträumen können.
War der Eintritt eines Finanzpartners die einzige Lösung?
Wir haben auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, diese Übertragung durch vorrangige Schuldtitel (eine Kombination aus Darlehen und Schenkung) zu finanzieren. Aber der Eintritt eines Partners durch Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an unserem Eigenkapital erwies sich als sicherer. Damit sollten wir de facto auch Recht behalten: 2007 und 2008 waren für uns aufgrund von klimatischen Widrigkeiten zwei schwierige Jahre, auf die wir nicht so gut hätten reagieren können, wenn wir zu Schulden gegriffen hätten.
Hatten Sie im Hinblick auf das Profil dieses Finanzpartners ein Pflichtenheft erstellt?
Wir sind ein Familienunternehmen und wollen es auch bleiben. Unser Ziel ist die Weitergabe an die zukünftige Generation. Dementsprechend waren wir auf der Suche nach einem langfristig orientierten Partner, der zu den langen Zyklen passen würde, die sich aus der Natur eines Weingutes ergeben. Dies gehörte neben der überschaubaren Größe zu den wichtigsten Gründen, aus denen wir uns für Crédit Mutuel Eigenkapital entschieden haben.
Hat sich Ihre Arbeitsweise durch diese neue Situation stark verändert?
Ja, es kommt schon einer kleinen kulturellen Revolution gleich, wenn man vorher gewohnt war, sich nur innerhalb der Familie auszutauschen. Diese Offenheit nach außen hat dazu geführt, dass wir intensiver über die Festschreibung unserer Entscheidungen kommunizieren. Wenn man mit Menschen zusammenarbeitet, die nicht vom Fach sind, muss man disziplinierter und expliziter vorgehen. Dies ist am Anfang vor allem zeitaufwendig, bringt einen jedoch auch zum Nachdenken. So inspiriert uns etwa die Erkenntnis, dass unser Partner auch noch mit anderen Unternehmen kooperiert, die sich neue, bereichernde Horizonte erschlossen haben. In eher praktischer Hinsicht hat diese Partnerschaft unsere Investitionen angekurbelt. Wir sind schneller vorangekommen, als wir es uns hätten erträumen können – insbesondere im Hinblick auf die Vergrößerung der Anbaufläche und die zur Weinherstellung erforderlichen Geräte.
Um sich voll und ganz seinem Geschäft widmen zu können, muss man gelassen bleiben und darf seine Energie nicht in Konfrontationen stecken.
Außerdem haben wir einfachen Zugang zu Dienstleistern in Branchen genossen, in denen wir uns kaum auskennen.
Was würden Sie im Nachhinein dem Leiter eines Familienunternehmens sagen, der sich fragt, ob er sein Kapital für Beteiligungen öffnen sollte?
Wenn es ihm darum geht, sein Unternehmen weiter aufzubauen und langfristig zu erhalten, würde ich ihm empfehlen, einen Partner zu wählen, der aus seinen eigenen Mitteln finanziert. Ein solcher Partner steht einem langfristig zur Seite und ist von Natur aus weniger aggressiv. Auch auf die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen muss der Unternehmensleiter achten. Um sich voll und ganz seinem Geschäft widmen zu können, muss man gelassen bleiben und darf seine Energie nicht in Konfrontationen stecken.
Aus Sicht des Geschäftspartners
Dieser langfristige Kurs steht der Annahme aller Herausforderungen selbstverständlich nicht im Weg – er stellt sie vielmehr auf eine wesentlich solidere und dauerhaftere Basis.
Wir verfolgen die Entwicklung dieses Weinguts bereits seit 12 Jahren und haben schon vieles miterlebt – von der Investition in Grundstücke über die Premiumisierung des Vertriebs bis hin zur Sicherung von industriellen Werkzeugen.
So waren wir auch Zeuge der Anpassung der zuvor ausschließlich auf die Familie ausgerichteten Geschäftsführung. Dabei wurden zahlreiche neue Aspekte auf den Tisch gebracht, wie etwa ein Lenkungsausschuss, die digitale Entwicklung, eine Imagestrategie, Umweltschutzpraktiken etc. Die Bedenkzeit ist dabei notwendigerweise länger, was wir bei unseren Interaktionen berücksichtigen. Zunächst geht es um den Erhalt des Erbes, das die Frucht der harten Arbeit mehrerer Generationen und des Einsatzes der Mitarbeiter ist. Außerdem ist es auch wichtig, die kollegiale, familiäre Arbeitsweise bei allen Entscheidungen beizubehalten. Dieser langfristige Kurs steht der Annahme aller Herausforderungen selbstverständlich nicht im Weg – er stellt sie vielmehr auf eine wesentlich solidere und dauerhaftere Basis.
Kurzportrait der Domaine Tariquet
1 125 Hektar
45% Export
35 Mio.€ Umsatz
Die im Herzen des Departements Gers gelegene Domaine Tariquet produziert und verkauft jedes Jahr 9 Millionen Flaschen Weißwein und 140.000 Flaschen Bas-Armagnac in über 60 Ländern.
Das Weingut ist seit Langem auf Bas-Armagnac spezialisiert und heute auch weltweit für seinen Côte de Gascogne bekannt, der 1987 in London zum Weißwein des Jahres gewählt wurde. Seit 2007 wird die Gesellschaft von Armin und Rémy Grassa geleitet, zwei Brüdern aus der fünften Generation der Familie.